Die Grenzenreisen von Francoise und Fanchon – Chronik einer Verdoppelung

12. September 2018  
Literatur  

Wir beginnen heute mit der Veröffentlichung der Geschichte von Francoise und Fanchon. Sie handelt von Reisen über die Grenzen – zwischen Frankreich und Deutschland, zwischen Kindheit und Erwachsenenwelt, zwischen Arbeiterkultur und Boheme. Aufgeschrieben hat sie unser Redaktionsmitglied Francoise Grimal und ihre treue Begleiterin Fanchon Toupet.

Prolog

Die Spiegelung 

Ruhig war es im Zimmer, durch die Vorhänge noch dunkel. Laut war nur der Wecker wie ein Stich in die Zeit. Diese Bewegung in ihrer Nähe, der Teppich fing jedes Geräusch ab, nur diese kräftige Bewegung des Rückens, die ihr eigen war, und sie hatte gespürt, dass die andere aufstand. Sie hörte nun das harte Auftreten ihrer Fersen auf dem Holz in der Diele. Augen geschlossen, lag sie auf dem Bauch und sie tanzten vor ihr, die etwas kurzen Beine mit den kräftigen runden Waden. Als die andere die Treppe hinunterging, stand sie auf, zog sich an. Die Tür war unten angelehnt. Der Hof war leer, lag noch im Schatten, grau von Reif. Sie blieb kurz stehen, fröstelte etwas unter der Feuchtigkeit der Luft. Sie ging ruhigen Schrittes. Sie hatte es nicht eilig, sie würde sie einholen, wie immer. Sie kannte ihren Weg zwischen den Feldern, den Hügel hoch, zu dem Wald. Sie wusste um diese von Wut durchwachsene Freude von ihr, dieses nervöse Aufsetzen der Füße, das sie schnell vorantrieb.

 

Sanft pocht ihr Herz im Kopf. Zeit habe ich heute, genau so viel Zeit wie du. Du weißt es noch nicht, du ahnst nicht, dass ich hier oben sitze, unter diesem Baum, an dem nur ein paar trockene Blätter hängen. Die Kälte spüre ich nicht, ich höre zu, diesem Vogel, den ich nicht sehe, der nur ein winziger Punkt ist in der Tiefe des heute blauen Himmels ist. Dass du nicht mehr schliefst vorher, habe ich gewusst, da war diese Spannung in der einen Hand, dein Mund plötzlich hart geworden. Du hast mich nie angeschaut, auch das erste Mal nicht, in diesem Zimmer, das das ganze Licht um mich versammelt hatte, als ich weinte – und es tat weh vor ihm, den ich liebte und der auch in Tränen ausbrach. Ich konnte dich nicht sehen, aber schon hattest du mich eingefangen. Ich habe nie wieder geweint und nie hat mich dein Blick verlassen, der keiner ist. Bald wirst du hier sein und du wirst mir folgen bis zu dieser Tür, die wir zusammen aufmachen werden und… sie wird aufhören diese doppelte Spiegelung in uns selbst…

Fanchon TOUPET

Geboren: jenseits der Grenzen

Staatsangehörigkeit: Frandeutsch

Sternzeichen: Ziegenkatze

Hüpft wie eine Ziege, schleicht wie eine Katze durchs Leben…

Françoise
Fanchon habe ich erst im Alter von elf Jahren wahrgenommen
Auf dem Gymnasium, ihr Vornamen, eine Koseform von meinem
hatte mich auf sie aufmerksam gemacht
Als ich krank wurde
hat sich mich regelmäßig besucht.
Sie kannte das ja, sagte sie
Wir sind unzertrennlich geworden,
bis sie beschlossen hat,
das Land zu verlassen.
Warum sie das Land verlassen wollte,
Hat sie mir erzählt.
Ich habe es aber nie verstanden
Wir haben uns deswegen oft gestritten.
Dann schwieg sie, dann war sie weg.
Aber immer wieder
Haben wir zueinander gefunden,
Uns wiedergefunden.
Wir sind untrennbar geworden
Gäbe es sie nicht mehr,
würde ich sie vermissen.
Ohne sie wäre es nur
das halbe Leben
Sie heißt Fanchon, Fanchon Toupet
Sie hat mir oft von ihrer Kindheit, von sich erzählt
Schwer zusagen, ob es Realität oder Fiktion ist.
Fanchon, fabule,
fabuli, fabula
Fabuliert gern, ja
Und singt gern…

fabuli, fabula

Fabuliert gern, ja