Françoise
Fanchon habe ich erst im Alter von elf Jahren wahrgenommen
Auf dem Gymnasium, ihr Vornamen, eine Koseform von meinem
hatte mich auf sie aufmerksam gemacht
Als ich krank wurde
hat sich mich regelmäßig besucht.
Sie kannte das ja, sagte sie
Wir sind unzertrennlich geworden,
bis sie beschlossen hat,
das Land zu verlassen.
Warum sie das Land verlassen wollte,
Hat sie mir erzählt.
Ich habe es aber nie verstanden
Wir haben uns deswegen oft gestritten.
Dann schwieg sie, dann war sie weg.
Aber immer wieder
Haben wir zueinander gefunden,
Uns wiedergefunden.
Wir sind untrennbar geworden
Gäbe es sie nicht mehr,
würde ich sie vermissen.
Ohne sie wäre es nur
das halbe Leben
Sie heißt Fanchon, Fanchon Toupet
Sie hat mir oft von ihrer Kindheit, von sich erzählt
Schwer zusagen, ob es Realität oder Fiktion ist.
Fanchon, fabule,
fabuli, fabula
Fabuliert gern, ja
Und singt gern…
Und singt gerne
Vorstellung vor dem Chorgesang
Liebe Chorsänger, dann habe ich mir dann gedacht, dass es schon eine Darbietung wäre, mich einfach vorzustellen.
Nun stehe ich da und habe…Schiss. La trouille, sagt man auf Französisch. J’ai la trouille und ich glaube, dass ich nur etwas zustande bringen kann , wenn ihr mir helft.
Wenn jemand auf Französisch sagt „J’ai la trouille“, versucht man, ihn zu beruhigen, indem man ihm sagt „Mais non!“.
Ich glaube, dass es mir sehr helfen würde, wenn ihr mich auf diese Weise ermuntert, in der Muttersprache wirkt es immer besser. Wir probieren es:
J’ai la trouille
Chor: Mais non!
Ah, j’ai un peu moins la trouille, ich habe schon weniger Schiss,
aber ich habe immer noch Schiss
Mais j’ai encore la trouille!
Chor: Mais non!
Tatsächlich! Je n’ai plus la trouille!
Danke für die Unterstützung. Dafür habt ihr eine kleine Einführung in die Lautlehre der französischen Sprache: ON Non, OIN Moins, EN Encore
Nun stelle ich mich endlich vor: Françoise. Auf Deutsch wird meistens ausgesprochen wie geschrieben, aber in dem Fall bitte nicht. Bitte beachten und nicht vergessen, das kleine Komma unter dem c, la cédille. Denn nur Dank der kleinen Cédille bin ich Françoise und bitte beachten, mit e am Ende, ich bestehe auf dem kleinen Unterschied, sonst bin ich männlich.
Les François et les Françoises, so hießen früher die Franzosen.
Wie praktisch meine Vornamen ist zugleich Nationalitäsbezeichnung.
Ich, Françoise, bin Französin.
Die Franzosen sind bekanntlich dunkel und klein. Für die ganz Kleinen, so wie ich, die statt Beine sozusagen nur Kakstelzen haben, bei denen also aufgrund der Beinekürze der Hintern fast auf dem Boden schleift, gibt es zur Stärkung des Selbstbewusstseins, eine Koseform des Vornamens, in meinem Fall ist es Fanchon. « Allez Fanchon !, allez la Fanchon ! »
Fanchon ist eine Figur, die zum ersten Mal im 17. Jahrhundert auftaucht in einer Anthologie von Trink- und Tanzliedern. Nach dem einem Lied ist Fanchon nicht unbedingt eine Tochter von Traurigkeit. Getauft wurde sie mit Wein. Sie lacht, trinkt und singt gern. Den feinen Speisen zieht sie gegrilltes Fleisch vor. Um ihre Liebe zu werben ist zwecklos, da wird sie grausam. Dagegen kann man ihr gern den Hof machen, um sich mit ihr zu besaufen.
Was hat sich bloß mein Vater gedacht, wenn er mir immer wieder dieses Lied sang und mich Fanchon nannte…
L’étranger
“Qui aimes-tu le mieux, homme énigmatique, dis ? ton père, ta mère, ta sœur ou ton frère ?
– Je n’ai ni père, ni mère, ni sœur, ni frère.
– Tes amis ?
– Vous vous servez là d’une parole dont le sens m’est resté jusqu’à ce jour inconnu.
– Ta patrie ?
– J’ignore sous quelle latitude elle est située.
– La beauté ?
– Je l’aimerais volontiers, déesse et immortelle.
– L’or ?
– Je le hais comme vous haïssez Dieu.
– Eh ! qu’aimes-tu donc, extraordinaire étranger ?
– J’aime les nuages… les nuages qui passent… là-bas… là-bas… les merveilleux nuages !”
Charles Baudelaire – Le Spleen de Paris
Wer, rätselhafter Mensch, ist deinem Herzen am liebsten? Sprich!
Dein Vater, deine Mutter, deine Schwester oder dein Bruder?
Ich habe weder Vater, noch Mutter, noch Bruder, noch Schwester. –
Deine Freunde? –
Du brauchst ein Wort, dessen Sinn ich bis heute nie verstand. –
Deine Heimat? –
Ich weiß nicht, auf welchem Breitengrad sie liegt. –
Die Schönheit? –
Ich möchte sie lieben, die göttlich unsterbliche. –
Das Gold? –
Hasse ich, wie du Gott hassest. –
Was also liebst du, staunenswerter Fremder? –
Ich liebe die Wolken … die ziehenden Wolken … dort … die wundervollen Wolken.