Dritter Teil der Geschichte von Francoise und Fanchon. Sie handelt von Reisen über die Grenzen – zwischen Frankreich und Deutschland, zwischen Kindheit und Erwachsenenwelt, zwischen Arbeiterkultur und Boheme. Aufgeschrieben haben sie unser Redaktionsmitglied Francoise Grimal und ihre treue Begleiterin Fanchon Toupet.
Liebe Freunde,
ich wollte mich melden, bevor ich nach Paris fliege. Wenn ihr aber annehmt, dass ich nur aus Spaß in Frankreich bin, dann seid ihr auf dem Holzweg. Seit ich zurückgekommen bin, bin ich in eine komische Geschichte hineingeraten. Ich teile ich es euch nur mit, weil ich weiß, dass es unter den Mitgliedern unseres Dorfvereins Krimispezialisten gibt, die mich vielleicht unterstützen könnten
Ich wurde Montag nach unserem Treffen am Wochenende in unserem Dorf von Tinchen vor dem Wohnprojekt abgesetzt, nach einer Horrorfahrt mit Bombenentschärfung kurz vor Hamburg, entsprechendem Stau, Umleitung über die Kohlbrandbrücke, Herumkreisen über die Elbe, um den Hafen. Ich hätte nie gedacht, dass es so viele Brücken und Unterführungen in Hamburg gibt. Wir drehten uns im Kreise als wären wir auf dem Hamburger Dom.
Es wäre sicherlich eine bessere Attraktion als der Dom gewesen, mit zum Teil wunderbaren Einblicken auf die Elbe und den Hafen, wären nicht verrückt gewordene Ungeheuer mit herumgekreist. Denn sie waren auch bei unserer Rückfahrt dabei – wie verrückt gewordenen LKW, die haarscharf an uns vorbeifuhren. Tom, der Kater von Tinchen, sang inzwischen auf dem hinteren Sitz in den höchsten Tönen, ihm reichte es jetzt mit der Fahrt, sie grenzte für ihn ans Unerträgliche, was er laut kund tat. Ich hätte am liebsten auch mit eingestimmt, in den Schwanengesang sozusagen, weil ich meine letzte Stunden kommen sah. Ich habe mich aber lieber aus dieser Arie herausgehalten – in der Annahme, dass bei einem solchen Duogesang Tinchen erst recht die Nerven verloren hätte, mit fatalen Folgen für uns drei.
Ich war nach meinem Aufenthalt in Berlin und dem Wochenende im Dorf etwas dünnhäutig geworden. Ich fühlte mich zwischen Traurigkeit, Wut und Hilflosigkeit hin und her geschaukelt. Traurigkeit darüber, Pit, unseren Vorsitzenden niedergestreckt im Krankenhaus gesehen zu haben. Das hatten wir schon einmal gehabt in unseren Reihen, musste es jetzt wieder sein? Ich verstand unseren Pit zwar. Ich kann es verstehen, dass ein Vorsitzender es nicht so gern hat, wenn einer von seinen „Vereinssklaven“ an seiner Stelle sozusagen die Führung übernimmt, vor allem einer wie unser Pit, der so vorrausschauend ist, dem unser Verein auch noch so am Herzen liegt. Aber so sollte er doch nicht vorgreifen, um uns zu veranschaulichen, mit welchen Problemen wir mit den Jahren konfrontiert sein werden. „Nein“, habe ich wütend gedacht, „so nicht, lieber Pit! Denk an deine Vereinssklaven, die dir gern folgen, aber die nicht mit dem gleichen Elan wie du, über ihre eigene Füße stolpern, sich nicht damit die Nase platt drücken möchten und vor allem gar nicht in der Lage sind wie du, den ‚Salto Mortale’ vorzuführen, doch wieder auf die Füße zu fallen und sich wieder aufzurichten!“
So eine wie ich, hätte eh zu kurze Beine, um hoch genug zu springen und würde von vornherein eine Bauchlandung machen, läge, platt wie ein Flunder, und brauchte doch Tage und Monate, um mich nach dem Vorführen solcher gewagten Darbietungen zu erholen.
Warum mir das Ganze so nah gegangen sei, meinte einer aus unserer Reihe, der mit im Krankenhaus war, ich sei doch eine Französin. Er behauptete, aufgrund einer völlig verkehrten Interpretation eines Zeitungsartikels in der „Zeit“ über die französischen Frauen, ich würde die Kunst beherrschen, Zuneigung und Liebe auf Distanz zu halten. Aber ich bin auch eine deutsche Mitbürgerin, die feststellt, dass mir alles doch sehr nah geht. Die gedanklichen Pirouetten helfen mir nur, das Ganze zu verarbeiten. Also, bitte, lieber Pit, lieber die Bremse früher ziehen, führe uns nicht auf diese radikale Weise an der bitteren Realität heran, die mit dem Alter eingeht. Nein, nicht so, und das ein zweites Mal! Wir möchten doch alle, noch mit dir Feiern und Lachen. Nicht, dass nach deinem Vorbild in dieser Hinsicht unter insbesondere deinen männlichen Vereinssklaven eine Art Wettkampf ausbricht. Ich sage es gleich: „Ich mache nicht mit! Der Heldentod ist nicht mein Ding!“
So waren meine Gedanken, als Tinchen vor dem Wohnprojekt hielt und mich absetzte. Ich betrat den Eingangsbereich des Hauses und warf routinemäßig einen Blick auf das schwarze Brett und sah folgenden Aushang:
„Peter ist verschwunden. Wer hat ihn gesehen?“
Was ist nun wieder los, dachte ich, dass der Pit über das Wochenende Urlaub vom Krankenhaus hatte, wusste ich, wussten wir alle, aber dass er in Hamburg aufgetaucht sei, womöglich angegeben hatte, dass er zu mir gefahren sei und nun, verschwunden! Wieso? Und was hatte es zu bedeuten?
Ich habe mich sofort mit Bintzi in Verbindung gesetzt, der hier in der Anlage Kontakt zu der Basis hat. Wir haben um Unterstützung gebeten. Denn für mich war natürlich die Frage, ist es tatsächlich unser Peter, unser Pit, der hier aufgetaucht ist, ab und zu war ja hier zu Besuch. Und wenn nicht? Wer war dieser Peter?
Am folgenden Wochenende war in der Anlage großer Frühlingsputz. Danach haben wir Bintzi und ich, eine Sondersitzung organisiert im Gemeinschaftsraum. Es stieß zunächst nicht auf große Begeisterung, weil die Gemeinschaftsraumgruppe gerade an deren Neugestaltung arbeitete. Bei der letzten Versammlung hatten wir nämlich festgestellt, dass es etwas trostlos aussah. Aber nun, mussten wir, Bintzi und ich, weiterkommen. Die Sitzung fand am Dienstag statt.
Ich weiß, ich bin auf dem Bild kaum zu erkennen. Tarnung war aufgrund der angespannten Lage angesagt. Aber man mekrt, dass ich (links) doch etwas ramponiert war. Das Ganze haute mich ja um. Gefreut habe ich mich dennoch, denn Bintzi war mit Verstärkung gekommen: Rudi, Ben, Marie, Paula, Picky und Ferdinand, eine tatkräftige Truppe. Wir haben uns in der neu eingerichteten Sitzecke hingesetzt, einen Plakat mit entsprechendem Text entworfen, der in den Eingangsbereichen aller drei Häuser angebracht wurde, ebenfalls in den anderen Häusern in unserer Straße
Dann kam aber die Überraschung. Es stellte sich heraus: Nicht Peter war verschwunden, sondern eine Petra! Da fiel mir aber ein Stein vom Herzen!
Rudi, Ben, Marie, Paula, Picky und Ferdinand war nämlich aufgefallen, dass Petra, die sie sehr gut kennen, seit ein paar Tagen nicht mehr aufgetaucht war und sie hatten schon angefangen, sie zu suchen. Von einer Petra, die verschwunden sei, hatte ich zwar am Putztag beim Abklopfen vom Teppich des Gemeinschaftsraumes gehört, es aber nicht weiter beachtet. Auf die Idee, dass Peter eine Petra sein könnte, war ich nicht gekommen. Außerdem stand auf dem Aushang Peter und nicht Petra. Wer war nun Petra? Und warum war sie verschwunden?
Es wurde beschlossen, dass ich ins Ausland fahren sollte, nach Paris, bekanntlich ein Umschlagplatz für alle möglichen Kriminellen, um nach Spuren von Petra zu suchen. Da hatten wir den Salat! Vielleicht hatte die Geschichte internationale Dimensionen. Anschließend sollte ich nach Berlin fahren, um in der Hauptstadt darüber zu berichten. Ich blieb aber in Verbindung mit Bintzi, der die Recherchen vor Ort koordinierte und selbstverständlich, auch mit euch, lieben Freunden. Vielleicht hättet ihr mir helfen können. Ruben, Ben, Marie, Paula, Picky und Ferdinand suchten vor Ort nach weiteren Spuren und wollten ein Phantombild von Petra mit entsprechendem Text entwerfen. Wir waren für jede Form der Unterstützung dankbar, für jeden Hinweis.
Dann flog ich nach Paris, aber kaum war ich weg, dann tauchte Petra wohlauf wieder auf. Sie war krank gewesen, dann die Schulferien… Dann flog ich nach Berlin und erfuhr, dass unser Pit wieder im Krankenhaus lag, dann nach unserem Dorf, denn Pit hatte Urlaub vom Krankenhaus bekommen…
und jetzt habe ich gerade von einem Nachbarn erfahren, dass nicht nach einem Peter, auch nicht nach unserem Pit gesucht wurde, sondern nach dem PutzPeter.
Quiz Frage: Was ist ein PutzPeter? wisst ihr das etwa?
Ich, arme Frandeutsche, wusste es nicht. Das hätte mir Einiges ersparrt.
Euere Fanchon
Danke an Bintzi für seine tatkräftige Unterstützung und an seine Tochter Maja für die künstlerische Darstellung und selbstverständlich auch an Ruben, Ben, Marie, Paula, Picky und Ferdinand
Das Photo habe ich aufgenommen