Zwischen Kirche und Klampfe – wie Hamburger:innen die Musikgeschichte präg(t)en

30. Dezember 2020   Sabine Engelhart
Hamburg, Musik  

Johannes Brahms aus dem Gängeviertel

Ein Beitrag von Neele Uder/ Musikwissenschaftlerin, Universität Kiel

Ein Hamburg ohne Johannes Brahms wäre nicht auszumalen. Überall in unserer schönen Stadt findet man Spuren des hier geborenen Komponisten. Neben dem nach ihm benannten Platz vor der Laeiszhalle oder dem Johannes-Brahms-Gymnasium in Bramfeld steckt er auch in der jüngsten Geschichte unserer Hansestadt. Das erste, in der damals gerade fertig gewordenen Elbphilharmonie gespielte Stück ist Brahms‘ 1. Sinfonie, der damit ein ganz besonderes Zuhause gegeben wurde.

Geboren wurde Brahms am 7. Mai 1833 im damaligen Specksgang 24 (heutige Speckstraße). Das Haus im Gängeviertel wurde bedauerlicherweise 1943 im Krieg zerstört. Für einen Coronatauglichen Besuch eignet sich der Ort trotzdem, denn anstelle des Hauses befindet sich dort nun ein steinernes Denkmal zu Brahms‘ Ehren. Brahms klingt in aller Ohren, selbst, wenn ein Konzertbesuch nicht möglich ist. Auch ohne Erfahrung mit klassischer Musik hat jeder Hamburger wohl schon einmal unbeabsichtigt Brahms Melodien gelauscht oder sogar selbst gesungen. Sei es sein wohl bekanntesten Stück, dem Wiegenlied Guten Abend, gute Nacht, oder der Titelmusik des Hamburg Journals im NDR, Brahms Kompositionen laden zum Innehalten und Genießen ein. 

Pünktlich zu Beginn um 19:30 ertönt im Hamburg Journal jeden Tag der Anfang des Hauptthemas vom vierten und letzten Satz seiner ersten Sinfonie. Um diese überhaupt zu vollenden, brauchte Brahms mindestens 14 Jahre. Verglichen mit Beethoven, der für seine erste Sinfonie nur ca. ein Jahr brauchte also eine ziemlich lange Zeit. Aber genau ebenjener war es wohl, der Brahms mit seiner Brillanz einschüchterte, wurde er doch immer als Vergleichsgröße herangezogen. Den Vergleich scheute Brahms, aus Angst, schlechter als sein hochgeschätzter Kollege dazustehen. 

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Brahms 1. Sinfonie, 4. Satz, Hauptthema, Titelmusik des Hamburg Journals

Seinen Respekt gegenüber Beethoven zeigt sich auch in Brahms Musik. Das eben bereits erwähnte Hauptthema des vierten Satzes erinnert beim Hören ein wenig an die berühmte Ode an die Freude. Diese berühmte Melodie, auch als Europahymne bekannt, stammt aus dem vierten Satz der 9. Sinfonie von Beethoven. Beide Kompositionen hören sich andächtig, fast schon feierlich an. Betrachtet man die Noten der beiden Themen, fällt besonders ein Motiv auf, das sich rhythmisch und melodisch gleicht. 

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Beethoven 9. Sinfonie, 4. Satz, Ode an die Freude, Europahymne (Oboenstimmen)

Nach einer Viertelnote folgen zwei verbundene Achtelnoten mit einer gleichzeitigen schrittweisen Aufwärtsbewegung. Nach dieser folgt eine sich schrittweise abwärts bewegende Viertelnote und dann ein Sprung über eine große Terz (vier Halbtonschritte) abwärts. Indem Brahms die bekannte Melodiewendung geschickt in seine Komposition einflechtet, fühlt man sich für einen Moment besonders an Beethoven erinnert. Beispiele, wie diese zeigen das große Genie, das in dem Hamburger Brahms innewohnte. 

Brahms starb am 3. April 1897 in Wien. 1889 verlieh seine Geburtsstadt Hamburg Brahms die Ehrenbürgerschaft. Auch wenn er nicht sein ganzes Leben in Hamburg verbrachte und u. a. Düsseldorf und Detmold lebte, hat und wird Hamburg und auch in Zukunft immer einen besonderen Bezug zu Brahms haben.