Hallo, ich bin S. und habe einen kleinen Sohn, der ist 4 Jahre alt.
Der Vater hat sich kurz vor der Geburt getrennt – wir hatten uns zuvor gemeinsam bei Wohnprojekten auf dem Land beworben und ich ging daher davon aus, dass wir als Familie zusammen wohnen werden. Ich habe zum Zeitpunkt der Geburt in einem Wohnprojekt mitten in der Stadt gewohnt. 10 Jahre war es sehr schön für mich dort, aber mit Kind war es dann viel zu laut (Party) und unbequem (unsaniertes Haus mit Holzofen, keine Heizung). Ich musste mich nach der Trennung erstmal von dem Schock erholen und habe dann ungefähr ein Jahr nach einer neuen Bleibe für mich und mein Kind gesucht. Es war ein bisschen zum Verzweifeln. Ich habe mir sogar irgendwann in sehr unschönen Stadtteilen, völlig überteuerte 2-Raum Wohnungen angeschaut. Himmel sei Dank hat das nicht geklappt. In Wohnprojekten war immer alles voll mit Familien – Mutter, Vater, Kind. Ich musste mir auch teils schlimme Sachen anhören wie z.B. „Eigentlich wollten wir eine richtige Familie hier wohnen haben“.
Eines schönen Tages erzählte mir ein Nachbar von einer Anzeige im Hamburger Buttclub Verteiler. Die schienen genau nach uns zu suchen: Eine WG mit drei Frauen und vier Kindern hatten zwei Zimmer frei in der neuen Mitte Altona. Da habe ich mich dann sofort gemeldet. Nach zwei Treffen war dann klar, dass sie uns wollen! Juhu! Wir sind dann Dezember 2021 dort eingezogen. Es ist wirklich ein grosses Glück denn diese Art von WG’s gibt es sehr selten. Dies liegt nicht zuletzt am Hamburger Wohnungsmarkt. Unsere Wohnung hat elf Zimmer – das muss man erstmal finden. Wenn man sowas findet, ist die Wohnung meist voll mit Studenten, in deren Leben Kinder einfach noch nicht passen.
Ich mag mit anderen Leuten zusammenleben und Freud und Leid teilen. Nicht alleine sein mit dem Kind – und das Kind vor allem nicht mit mir! Meine Neuverpaarungswünsche haben sich durch diese Wohnform tatsächlich auf Null reduziert. Ich vermute viele Frauen suchen sich in so einer Situation auch schnell einen neuen Partner, um nicht alleine sein zu müssen. Ein Kind groß ziehen ist alleine nur unter sehr erschwerten Bedingungen zu meistern.
Wir kaufen füreinander ein, wir nehmen mal die Kinder der anderen, eine ist eigentlich immer Zuhause, wir putzen abwechselnd und hören uns gegenseitig bei Erziehungsschwierigkeiten zu. Meine Mitbewohnerinnen kennen mein Kind natürlich auch viel besser als andere Leute und haben dadurch auch einen anderen Blick auf die Beziehungsdynamik. Außerdem wollte ich immer viele Kinder – so muss ich sie nicht alle selber gebären und abends nicht alle selbst ins Bett bringen 🙂
Herausfordernd ist das Zusammenleben natürlich immer. In jeder Community, die ich bisher kennengelernt habe , gibt es Konflikte und das ist auch normal. Schwierig finde ich es, wenn es keine guten Kommunikationsmodelle gibt. Momentan treffen wir uns viel zu selten alle zusammen und sprechen gemeinsam über die schwellenden Konflikte. Das muss sich wieder ändern. Es ist sehr intim und heikel Kritik an Erziehung oder anderen Umgängen zu äußern ohne jemanden auf den Schlips zu treten. Wenn der Haussegen schief hängt, macht das Zusammenleben nur halb so viel Spaß.
Ich möchte weiterhin in dieser Community leben – gerne auch weiter mit Frauen und ihren Kindern.
Manchmal wünsche ich mir aber auch mehr Space um laut zu sein oder größere Projekte zu verfolgen. Insgesamt mehr Platz haben wäre toll. Vielleicht möchte ich auch in sechs Jahren doch eine Weile alleine mit meinem Sohn leben – wer weiß. Das müsste er aber mitentscheiden können und dafür muss er natürlich älter sein
Ich wünsche mir von der Politik, dass sie Alleinerziehende mitdenkt. Größere Wohnungen für solche Gemeinschaften sollten viel mehr zur Verfügung gestellt werden um es Leuten leichter zu ermöglichen, so zu leben wie wir. Bisher ist die Stadt vor allem auf Paare ausgelegt. Es könnte außerdem eheähnliche Steuervergünstigungen geben für Gemeinschaftsformen wie uns, denn derzeit wird das Gefühl vermittelt, dass Menschen sich nach Trennungen schnell wieder einen neuen Partner suchen sollten. Eine Partnerschaft kann es doch aber auch außerhalb von Liebesbeziehungen geben.