Schwarz + Weiß = Bunt

30. Oktober 2020   Sabine Engelhart
Aus dem Stadtteil, Schach, Sport  

Schach für den Stadtteil

Ausgabe 2

Herzlich willkommen zur zweiten Schwarz-Weiß-Bunt-Ausgabe! Mein Name ist Jörn Bilicki und ich berichte an dieser Stelle regelmäßig über Aktivitäten und Ereignisse rund um das königliche Spiel aus und für den Stadtteil.

In dieser Ausgabe wird es um Schachübertragungen, eine erste Schachposition zum Mitdenken und die Wiederaufnahme des Spielbetriebes (Klubturnier) im Barmbeker Schachklub gehen.

Schach der Großmeister

Es ist für uns inzwischen ein gewohntes Bild: Viele der weltweit stattfindenden Sportereignisse sind multimedial und jederzeit für den Sportfan verfügbar. Besonders Live-Übertragungen im Radio, Fernsehen oder Internet transportieren Atmosphäre und Spannung eines Sport-Events so intensiv und facettenreich, dass diese Art des Dabeiseins für manche mehr ist, als nur ein Ersatz für einen Stadionbesuch.

Dies gilt ohne Frage für die großen Fußball- oder Leichtathletik-Übertragungen im Rahmen von Weltmeisterschaften oder olympischen Spielen. Aber für Schach? Ok: Es gibt Leute, die behaupten, dass Schach eh kein Sport sei, weil der intensive körperliche Aspekt fehle. Und überhaupt: Was ist an Schach denn so spannend, dass man darüber live in den Medien berichten sollte?

Die Frage, ob Schach ein Sport sei, greife ich gerne in einem weiteren Artikel auf (Achtung, Spoiler-Alarm: Ja, ist es.) Auf die Frage, ob man Schachpartien live übertragen kann, gab es viele Jahre nur eine Antwort: Nein. Stundenlange Spielzeiten, in denen minutenlang einfach nichts passiert, emotionslos auf ein Brett starrende Protagonisten und (wenige) zur Stille verdammte Zuschauer sind einfach zu wenig Spektakel für ein Medium, wie das Fernsehen, dass von Emotionen und der schnellen Abfolge spannender Bilder lebt.

Trotz dieser Vorzeichen startete der WDR 1983 einen Versuch, Top-Schach dem Fernsehpublikum näher zu bringen. „Schach der Großmeister“ [1] hieß die bis 2005 produzierte Fernsehsendung, deren Grundidee man durchaus als Vorlage für heutige Schachübertragungen im Internet betrachten kann: zwei Großmeister spielten Schach gegeneinander und zwei Kommentatoren (legendär: die beiden Großmeister Helmut Pfleger und Wlastimil Hort) analysierten den Spielverlauf und vermittelten die Spielideen den Zuschauern. Selbst auf Studiopublikum wurde nicht verzichtet und Anrufer konnten ihre Meinung zum Spiel abgeben. Einen faszinierenden Einblick in das damalige Format kann man sich auf YouTube verschaffen. [2]

Im Grunde funktioniert die Live-Berichterstattung von Schachpartien heute nicht anders. Lediglich die technische Basis hat das nächste Level erklommen: Das Internet ist DAS zentrale Übertragungsmedium, über dass ganze Turniere dem Publikum in aller Welt verfügbar gemacht werden. Das Publikum kann über Live-Chats seinen Emotionen freien Lauf lassen und die Pflegers und Horts von heute heißen Daniel Rensch, Robert Hess, Pjotr Swidler oder Anna Rudolph (um nur einige beispielhaft zu nennen).

Das allein hat aber das Kernproblem noch nicht gelöst: Eine Turnierpartie im klassischen Schach kann mehrere Stunden dauern und irgendwann geht auch den professionellsten Moderatoren der Gesprächsstoff aus, wenn alle Ideen der aktuellen Schachposition besprochen und sämtliche Anekdoten zu den Spielern erzählt worden sind. Manche Live-Übertragung vom „Altibox Norway Chess 2020“ [3] auf chess.com [4] oder chess24 [5] waren ein trauriger Beleg dafür.

Das es auch anders geht, zeigt sich an der Entwicklung zahlreicher neuer Turnierformate, in denen eine Erfindung von Robert James „Bobby“ Fischer [6] eine zentrale Rolle spielt: Der sogenannte „Fischer-Modus“ [7] führt dazu, dass die Spieler schneller spielen müssen, gleichzeitig aber nicht auf eine mögliche Zeitnot ihres Gegners setzen können. Dass auf dieser Basis qualitativ hochwertige und für den Zuschauer sowohl interessante als auch kurzweilige Partien möglich sind, zeigte u. a. die „Magnus Carlsen Chess Tour“ [8]: Geniale Ideen und haarsträubende Fehler waren nicht selten nur einen Zug voneinander entfernt und die Kommentatoren überschlugen sich regelrecht vor Begeisterung. Das alles sorgte für vergleichsweise hohe Zuschauerzahlen und ist mit Sicherheit auch ein Grund für die in den letzten Jahren wachsende Popularität dieses Sports (ja, Schach ist ein Sport). Es würde mich daher nicht wundern, wenn diese Formate auf das klassische Turniergeschehen ausstrahlen und dieses revolutionieren würden. Wenn man die Kritiken an der Remis-Serie in der Schach-WM 2018 [9] verfolgt, wäre das definitiv ein Gewinn.

Brillante Wendung

Die folgende Stellung entstand in einer Online-Fernschachpartie, in der ich die schwarzen Steine führte:

Es gelang mir, in der Eröffnung schnell das ungenaue Spiel meines Gegenübers zu nutzen und mit zwei Mehrbauern ins Endspiel zu gelangen. Die weiße Figurenstellung machte es mir allerdings schwer, die beiden (eigentlich) verbundenen Freibauern auf dem Damenflügel gewinnbringend einzusetzen. Nach dem letzten Zug (36.gxh6) drohte Weiß, den h-Bauern in eine Dame umzuwandeln. Ich versuchte dies daher, mit 36…Lc8 zu verhindern, sodass mein Turm den Bauern am Vormarsch hindert bei gleichzeitigem Angriff auf den weißen „Blockade“-Turm auf a6. Ganz nebenbei bleibt der Bauer auf e6 gedeckt. Ein netter Versuch, aber trotzdem ein Fehler. Warum? Und was hätte ich anders machen sollen? (Auflösungen am Ende des Artikels)

Aktuelles

Seit Mitte September 2020 läuft im Barmbeker Schachklub [10] wieder so etwas wie ein „normaler“ Schachbetrieb. Nach Vorlage und Umsetzung eines Hygienekonzeptes ist es wieder möglich, im Barmbek Basch [11] an echten Brettern (oder „Over-the-board“ (OTB), wie es im englischsprachigen Raum bezeichnet wird) zu spielen. Im Mittelpunkt steht dabei die laufende Klubmeisterschaft, die nach Spielstärken aufgeteilt in vier Gruppen durchgeführt wird und Anfang Dezember 2020 endet. Parallel dazu finden in loser Folge Trainings statt, in denen Schachwissen zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten vermittelt wird. Es lohnt sich also, Dienstags ab 19 Uhr zum kiebitzen, trainieren oder einfach zum Schachspielen vorbeizuschauen.

Neben Einzelturnieren gehören Mannschaftswettkämpfe zum festen Bestandteil des Terminkalenders. In diesem Jahr geriet der Kalender allerdings mächtig in Unordnung. Wegen der anhaltenden Pandemie wurde in sämtlichen Schachligen der Betrieb zunächst unterbrochen und in Hamburg schließlich abgebrochen. Ein Neustart mit reduzierter Mannschaftszahl ist für Januar 2021 geplant. Der Barmbeker Schachklub versucht auch dann wieder, mit fünf Mannschaften in unterschiedlichen Ligen anzutreten. Verständlicherweise sind einige Mitglieder zurzeit etwas zurückhaltender, was eine mögliche Aufstellung in einer der Mannschaften angeht, sodass es für die jeweiligen Mannschaftsführer diesmal besonders herausfordernd ist, ein Team aufzustellen, welches über den gesamten Saisonverlauf vollständig zur Verfügung steht. Aber vielleicht entschließen sich ein paar Mitglieder ja doch noch, ein Team zu unterstützen. Das gilt natürlich auch für Vereins-Neulinge, die mal Turnierluft schnuppern wollen. Dienstags besteht die Gelegenheit, sich hierzu mit Mitgliedern auszutauschen.

Auflösung der Schachaufgabe

Ich nahm an, dass Weiß eigentlich nur 37.Td6 oder 37.Ta4 hat, um irgendwie den Druck gegen die schwarze Bauernstellung aufrecht erhalten zu können. Ich übersah aber folgende brillante Wendung:

37.Tc6!!

Das Hauptmotiv lautet: Ablenkung! Wenn Schwarz den weißen Turm schlägt, dann ist der h-Bauer nicht mehr zu stoppen. Wenn Schwarz seinen Turm wegzieht (z. B. 37…Th7), dann fällt der Läufer auf c8. So oder so steht Weiß plötzlich besser und kann wieder auf Gewinn spielen.

Was hätte Schwarz aber besser machen können?

36…Lb5!

Unter Aufgabe eines Bauern nach 37.Txe6 kann Schwarz den weißen h-Bauern durch 37…Ld3 hemmen und beispielsweise nach 38.Tg6 seinen a-Bauern mittels 38…a5 mobilisieren (der weiße Turm auf g6 ist natürlich vergiftet: 38…Lxg6?? hxg6 und die weißen Bauern sind nicht mehr zu stoppen). Obwohl Schwarz sich einen „Restvorteil“ sichert, bleibt die Stellung weiterhin umkämpft. Trotzdem zeigt diese Stellung, dass es hin und wieder sinnvoller sein kann, sich nicht zu sehr am Materialvorteil festzuhalten, solange die Position andere Vorteile verspricht.

Nützliche Links

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Schach_der_Gro%C3%9Fmeister

[2] https://www.youtube.com/watch?v=0A6QOng-Y3c&list=PLn2npaGjwVmh0oiiVul9Arjjevxlyqtk2

[3] https://norwaychess.no/en/2020-2/

[4] https://www.chess.com/

[5] http://chess24.com/

[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Bobby_Fischer

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Bedenkzeit#Fischer-System

[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Magnus_Carlsen_Chess_Tour

[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Schachweltmeisterschaft_2018

[10] https://www.barmbeker-schachklub.de

[11] https://barmbek-basch.info/

Middenmang tanzt wieder…

26. Oktober 2020   Sabine Engelhart
Aus dem Stadtteil, Film, Tanz  

…Lindy Kicks von Ruby Doo mit den tanzenden Füßen.

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In Hamburg und Drumherum – Ausflug zum Gut Wulfsdorf

19. Oktober 2020   Sabine Engelhart
Corona, Hamburg, In Hamburg und Drumherum, Reise  

Von Kirsten Mountakis-Michalski

Diese Woche verschlägt es uns ganz in den Nordosten Hamburgs: Es geht zum Gut Wulfsdorf und dem benachbarten Haus der Natur.
Gut Wulfsdorf mag dem oder der ein oder anderen bereits vom Wochenmarkt bekannt sein. Doch auch ein Besuch auf dem Bio-Bauernhof lohnt sich. Bei einem Rundgang auf dem großzügigen Gelände entdeckt man Kühe, Schweine, Pferde und freilaufende Hühner. Im Hofladen bekommt man nicht nur lokale und saisonale Bio—Lebensmittel, das Café bietet auch Kaffee und Kuchen oder herzhafte Snacks, die man im Kräuter-Garten an der frischen Luft geniessen kann. Für Kinder ist reichlich Platz zum Spielen.
Wer anschließend noch Lust auf einen Spaziergang hat, sollte unbedingt das Haus der Natur besuchen. Der Sitz des Verein Jordsand hat einen wunderschönen Garten mit eigenem See und alten Bäumen. Auf dem Pfad findet man immer wieder interessante Stationen, die über Insekten und Pflanzen aufklären. Und mit etwas Glück trifft man auch die Herde Heidschnucken, die gern mal frei auf dem Grundstück unterwegs ist.

Kuhstall auf dem Biohof Wulfsdorf

Charleston mit Ruby Do

14. Oktober 2020   Sabine Engelhart
Aus dem Stadtteil, Tanz, Unkategorisiert  

Fortsetzung mit neuem Schwung – noch mehr Tanzschritte zum mitmachen aus der Tanzschule SWING TIME in der Dehnhaide.

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In Hamburg und Drumherum – Dat ole Hus

17. September 2020   Sabine Engelhart
Corona, Essen, Hamburg, In Hamburg und Drumherum, Reise  

Von Kirsten Mountakis-Michalski

“Dat Ole Hus” findet ihr westlich von Neumünster, etwa 45 Autominuten von Hamburg entfernt.
Die alte Kate in Aukrug wurde um 1700 errichtet und kann heute als privat geführtes Heimatmuseum besucht und besichtigt werden. Der Eintritt ist frei, Führungen werden am Wochenende für nur 2.- Euro für Erwachsene und 1.- für Kinder angeboten.
Absoluter Höhepunkt (für uns): Im Museums-Café werden auf alten Holzöfen Waffeln wie vor 100 Jahren gebacken und mit Sahne, Roter Grütze und Kaffee – so viele bis man nicht mehr kann – im Garten oder gegen Reservierung im Innenbereich serviert.

Kultur auf Rädern

11. September 2020   Sabine Engelhart
Aus dem Stadtteil, Musik  

Die Aktion „Parallele Welten des Augenblicks – Poesie im Alltag“ ging vor ein paar Wochen in Barmbek an den Start. Hobby Dichter*innen schickten uns viele eigene Gedichte in die Redaktion. Die kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Einfach großartig was da so nach und nach per Email und auf dem Postweg im Kulturpunkt eintrudelte.

Diese Aktion ist aber noch nicht zu Ende, denn im nächsten Schritt möchten die Redakteurinnen die Schülerinnen und Schüler ansprechen, die seit den Sommerferien unter den Corona Bedingungen in die Schulen gehen. Es wäre spannend zu lesen, wie es den Einzelnen dort ergeht, Schüler*innen wie Lehrerinnen…

Oder wie wäre es mit den Bewohner*innen der Seniorenresidenzen im Stadtteil? Auch hier besteht die Möglichkeit einer eigenen Schreibwerkstatt in der Einrichtung, um sich mit Poesie über den Alltag am Projekt zu beteiligen.

Für den würdigen Abschluss sucht die Redaktion zurzeit nach einer Schauspielerin oder Schauspieler, die die Gedichte am Ende vor- bzw. einlesen. Das wollen wir nämlich aufzeichnen und mit allen Hobby-Dichter*innen teilen.

Gleichzeitig mit Schreibwerkstatt in Barmbek fand im Rahmen von „Parallelen Welten“ in den Sommerferien noch ein weiteres Stadtteil Happening statt. Für „Kultur auf Rädern“ fuhren die beiden Akkordeonspieler Natasha Böttcher und Jakob Neubauer immer freitags mit der Rikscha durch den Stadtteil. Die beiden Musiker gaben kleine spontane Konzerte an ungewöhnlichen Orten und kamen mit den Bewohnern ins Gespräch. Alles natürlich mit dem notwendigen Corona Sicherheitsabstand. Der Rikscha Fahrer Christoph Pawlik von Fahrradtaxi Pedalotours chauffierte die Künstler und trat ordentlich in die Pedalen.

90 Minuten dauerten diese Fahrrad Konzerte jeweils. Nach einer Runde um das Barmbek°Basch und den Wochenmarkt auf der Vogelweide ging es ab in den Stadtteil. Die Bevölkerung nahm das Angebot begeistert auf, daher möchte der Kulturpunkt diese umweltfreundliche Konzertreihe nach Möglichkeit gerne wiederaufnehmen.  

In Hamburg und Drumrum – die Fischbeker Heide

2. September 2020   Sabine Engelhart
Freizeit, Hamburg, In Hamburg und Drumherum  

Von Kirsten Mountakis-Michalski

In “Hamburg und Drumrum” wollen wir ab jetzt regelmäßig mit euch schöne Ausflugsziele in und um Hamburg teilen. Bekanntes, aber auch Geheimtipps – und immer maximal eine Stunde vom Zentrum entfernt.
Diese Woche starten wir mit der Fischbeker Heide, die sich besonders jetzt noch für einen Besuch lohnt, da die Heide grade in wunderbarem Lila erblüht. Nur etwa 35 Minuten mit dem Auto entfernt erreicht man die erste Etappe des Heidschnuckenwegs (Google Maps: Heidschnuckenweg Etappe 1 im Scharlberg). Natürlich muss man nicht gleich die ganze 220 km Wanderung auf sich nehmen. Schon ein kurzer Spaziergang lohnt sich und ist dank meist relativ fester Wege und wenig Hügeln sogar mit größerem Kinderwagen möglich. Mit Bus und Bahn erreicht man die Fischbecken Heide über die Station S-Neugraben und die Bushaltestelle Fischbeker Heuweg ebenfalls in weniger als 60 Minuten.


Wir empfehlen: Snacks und Getränke einpacken und auf einer der vielen Bänke oder Holzstämme eine Picknickpause einlegen. 🙂

schwarz – weiß = bunt

31. August 2020   Sabine Engelhart
Aus dem Stadtteil, Sport  

Schach für den Stadtteil / 1. Ausgabe

Herzlich willkommen zur ersten Schwarz-Weiß = Bunt-Ausgabe! Mein Name ist Jörn Bilicki und ich berichte an dieser Stelle regelmäßig über Aktivitäten und Ereignisse rund um das königliche Spiel aus und für den Stadtteil.

In dieser Stelle möchte ich Euch zunächst etwas über mich erzählen, wie ich zum Schach und schließlich zum Schachklub unseres Stadtteils, dem Barmbeker Schachklub kam. Hinweise zu aktuellen Aktivitäten sowie nützliche Links findet Ihr am Ende des Artikels.

Der Papa war’s

Die meisten unter uns, die einen Sport betreiben, werden irgendwann mal gefragt: Wie bist Du dazu eigentlich gekommen? Man überlegt und erinnert sich,  wann man zum ersten Mal gegen einen Ball getreten oder auf einem Rennrad gesessen hat. Wie man ambitionierter wurde, es vielleicht sogar als Leistungssport betrieb oder es einfach bei einem sehr schönen Hobby beließ.

Kürzlich wurde ich völlig unerwartet mit dieser Frage konfrontiert. Während einer Online-Schach-Partie fragte mich ein US-amerikanischer Gegner im Chat:

„How did you get into it?“ Ziemlich neugierig, aber auch interessant. Und ich habe mich erinnert, wie viele andere schach-spielende Freunde auch, an die ich  diese Frage weitergegeben habe. Und alle antworteten über ihre ersten Schacherfahrungen im Kern das gleiche: Ich war ein kleines Kind und Papa hat’s mir beigebracht.

Mein Vater (Hobby-Schachspieler) konnte nicht ahnen, was er damit bei mir ausgelöst hat. Er musste erkennen, dass kleine Kinder schnell lernen und er selber schon bald für seinen Sohn kein ernstzunehmender Gegner mehr war. Vielleicht schlecht für meinen Vater, in jedem Fall aber gut für mich.

In der Schule ging es dann weiter und in der dortigen Schach-AG lernte ich einen gewissen Gisbert Jakoby [1] kennen. Ein Bundesligaspieler mit imposanter Gestalt. Er leitete die Schach-AG und  brachte uns die Feinheiten des königlichen Spiels bei. Er versorgte uns mit dem notwendigen Rüstzeug, um auch in Wettkämpfen bestehen zu können. Es folgten Einzel- und Mannschaftswettkämpfe auf Schul- und Klubnieveau. All das war zwar mit eher mäßigem Erfolg aber mit jeder Menge Spaß belohnt worden.

Nach dem Abitur folgte eine über dreißigjährige Pause vom aktiven Schach, bis 2018 ein Zufall dafür sorgte, diesen Faden wieder aufzunehmen. Ein Sonntagsspaziergang führte mich im Hamburger Stadtpark an Beachvolleyballfeldern vorbei. Dort standen Fahnen vom FC St. Pauli. Dass dieser Sport

und dieser Verein durchaus zusammengehören, zeigte eine schnelle Internet-Recherche auf dem Smartphone. Aber auf der Website wurde auf noch etwas hingewiesen: Ein Event. Ein Schach-Event, sogar ein internationales, ausgetragen von diesem Verein. Zuschauen erwünscht. Ich ging hin und schaute auf die Teilnehmerlisten. Ich fand u. a. einen alten Arbeitskollegen aber auch eine Reihe von Spielern, die in einem gewissen Barmbeker Schachklub [2] spielten.

Schnell fand ich heraus, das der Barmbeker Schachklub für Trainings und Spielabende die Räume des Barmbek°Basch [3] nutzt, keine 600 Meter von meinem Wohnort entfernt. Ich ging hin und traf dort auf sympatische Leute, die Schach spielen, wie ich es mag: gerne ambitioniert, aber nie den Spaß an der Sache daran aus den Augen verlierend.

Und genau darum geht es mir bei dieser Artikelreihe auch: Schach ist im Kern „eine viel zu kleine karierte Tischdecke, auf der sinnlose Holzklötzchen stehen“ (Original-Zitat eines Freundes, der mit Schach absolut nichts am Hut hatte). Ja, es wird auch um das Spiel an sich gehen. Um Partien, Positionen und sportlich legendäres. Aber Schach ist mehr: es ist Politik, Anekdote, Skurrilität, Geschichte, Kunst in Filmen, Bildern und Musikstücken.

Oder für manch einen einfach verknüpft mit einem unvergesslichen Ereignis. Schach ist nicht nur schwarz und weiß. Schach ist bunt. Diese Artikelreihe soll einen Beitrag dazu leisten.

Aktuelles

Wie vermeide ich an dieser Stelle das „Unwort des Jahres“ 2020? Ein Versuch: die seit März 2020 vorliegende Situation hat uns alle gezwungen, grundlegende Dinge neu zu organisieren. Das betraf selbstverständlich auch den Schachsport, in aller Welt und natürlich auch beim Barmbeker Schachklub. Laufende Turiniere wurden unterbrochen und die Trainingsräume wurden geschlossen.

Aber seit einigen Wochen ist wieder ein Licht am Ende des Tunnels sichtbar. Denn beim Barmbeker Schachklub findet jeden Dienstag wieder zur gewohnten Zeit um 19 Uhr der Spielabend des Vereins im Barmbek°Basch statt. Es wird Schach gespielt und hin und wieder auch mal trainiert. Neugierige aller Alters- und Spielstärkegruppen sind selbstverständlich willkommen. Wir freuen uns auf jeden Besuch.

Auch an jedem Dienstag betreut der Barmbeker Schachklub von 18-20 Uhr das Freiluftschachfeld auf dem Gelände des Wochenmarktes Vogelweide [4], keine 200 Meter vom Barmbek°Basch entfernt. Wer möchte, kann sich bei sommerlichen Temperaturen beim Freiluftschach warmspielen und danach gleich weiter zum Klub gehen.

Na, geht doch: Ein ganzer Artikel ohne Co****.

Nützliche Links

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Gisbert_Jacoby

[2] https://www.barmbeker-schachklub.de/

[3] https://barmbek-basch.info/ [4] https://www.hamburg.de/wochenmaerkte-hamburg-nord/3905190/wochemarkt-vo

Mit tanzenden Füßen!

4. August 2020   Sabine Engelhart
Aus dem Stadtteil, Fashion, Tanz  

Ein Interview mit Ruby Do von der Tanzschule SWING TIME

Die Tanzpädagogin Ruby Do zog vor gut zwei Jahren in mit ihrer Tanzschule SWING TIME in ein Ladengeschäft in die Dehnhaide. Damit hat sie sich einen Wunsch erfüllt, war er doch genau das was sie suchte. Barmbek liegt ihr sowieso am Herzen, denn sie ist dort schon länger Zuhause.

Begonnen hat sie als Kursleiterin in der Burg und in einer Yogaschule in der Saarlandstraße. Nachdem sich die Gegebenheiten für die Burg dramatisch änderten, begann die Suche nach eigenen Räumlichkeiten. Diese sollten in jedem Fall in Barmbek sein. Unter anderem, um den vielen anderen Swing Tanzschulen in Hamburgs Westen einen zentraleren Standort in Hamburg entgegen zusetzen. In der Tanzschule finden Leute ihren Platz die viel Wert auf kreative Arbeit legen und künstlerisch aktiv sind. Hier finden sie den Raum und die Freiheit sich auszuprobieren.

Im Viertel ist Ruby Do fest mit anderen Ladenbesitzern durch Koopertationen verbunden. Ob mit einem  Beauty & Stile Workshop beim Frisör nebenan, um Wasserwellen auszuprobieren oder mit der Falafel Factory dem orientalischen Swing nachzuspüren, Ruby Do und ihre Mittänzer stehen solchen Aktionen aufgeschlossen gegenüber. Seit der Zeit des Corona Lockdowns entstehen in Zusammenarbeit mit dem Kulturpunkt im Basch und dem Middenmang Magazin kleine Tanz Videos für Zuhause bei dem die Freunde des Swing´ (erste) Schritte und Kombinationen erlernen.

Zukünftig besteht der Wunsch die Tanzschule weiter auszubauen und das Team zu erweitern, um weitere Tanzstile anzubieten. Alles unter dem Gesichtspunkt einer qualitativ anspruchsvollen und pädagogischen Vermittlungsarbeit.

Die Middenmang Redaktion besuchte Ruby Do mit den tanzenden Füßen in der Tanzschule und sprach mit ihr über die Hintergründe ihrer (Tanz) Arbeit.

Middenmang: Wie bist du zu dem Namen Ruby Doo gekommen und wie läuft es mit der Tanzschule?

Ruby Do: Künstlername Ruby Doo, Tanzlehrerin, eigentlich heiße ich Ruby D. Assmann. Ich betreibe hier meine kleine Tanzschule Swing Time. Wir sind hier jetzt seit knapp über zwei Jahren. Die zweite Jahrfeier fiel in den Shutdown dieses Jahr. Wir haben aber trotzdem viele Aktionen gehabt, haben kleine Videos von Zuhause gedreht und auch viel, viel Homeschooling und Homedancing gemacht. Eigentlich jeden Tag. So haben wir das eigentlich ganz gut überstanden.

In unserer Schule gibt es verschiedene Tanzstile, Authentic Jazz, das ist der Solotanz der von den 20er bis 40er Jahren entstand. Dann Burlesque, das entstand auch in den 20er Jahren geht hier aber auch in eine sehr moderne Richtung.

MM: Das ist ja auch ganz hipp, das Burlesque?

RD: Ja, aber ich mag gerne den alten Stil. Natürlich sind auch die neuen Stile willkommen. Ich mag dieses Spielerische ganz gerne. Aber ich mache das nicht selber, ich gucke nur zu.

MM: Es gibt also Tanztrainer?

RD: Ja, wir haben weitere Tanzpädagogen, die sind alle in die eine oder andere Richtung ausgebildet und da schauen wir das wir da qualitativ einen guten Platz haben.

Das läuft gut!

MM: Du hattest Authentic Jazz und Burlesque genannt. Was kommt noch dazu? Swing wahrscheinlich und Charleston?

RD: Ja, Lindy Hop, Charleston, Shag das sind alles die Paartänze

MM: Kommen die Tänze aus Amerika?

RD: Ja, das kommt alles aus Amerika. Die sind afroamerikanisch, die Tänze. Wir haben einmal die Woche ein klassisches Körpertraining für die Tanzgäste bei dem wir eher in die Ballettrichtung gehen, um dem Körper wirklich etwas Gutes zu tun. Weil wir in unserem Authentic Stile immer sehr zum Boden geneigt sind. Viele dieser Tänze werden eher an der Oberfläche unterrichtet. D.h. es geht darum Figuren zu lernen und Freude zu haben, aber es geht oft nicht so sehr da hinein wie ich mich bewege, so dass es meinem Körper gut tut. Wie bleibe ich lange gesund während ich Charleston tanze und meine Knie twiste? Deshalb haben wir auch Ballett mit im Angebot, weil es die Körperwahrnehmung schult.

Freitags haben wir immer unsere Tanzcompany, die Ruby Doo Crew, mit der wir Aufführungen planen, kleiner und kreativ an den Tanz heran gehen, d.h. eher künstlerisch als sportlich. Zurzeit planen wir ein großes Tanztheater aufzuführen. Das wäre eigentlich schon im Mai gewesen. Jetzt fangen wir gerade wieder neu an, dies auf die Beine zu stellen und wieder aufzuarbeiten und machen es so, dass wir keinen Paartanz drin haben in diesem (eigentlichen) Paartanzstück. Das bringen wir im September 2020 auf die Bühne.

MM: Auf welche Bühne denn?

RD: Wir sind im Hamburger Sprechwerk und werden einen Film daraus produzieren. D.h. falls es wieder einen Shutdown gibt oder so etwas Ähnliches oder man nicht mehr in die Theater darf, haben wir zumindest ein Video davon.

MM: Macht ihr die Videoproduktionen selber?

RD: Ich habe schon mit vielen Leuten zusammen gearbeitet, habe selber schon viele eigene Videoprojekte durchgeführt und organisiert und da suche ich mir wieder meine Leute zusammen. Alle die ich gerne habe und die wissen, wie man Tanz filmt.

MM: Was begeistert dich an dem Tanz und vor allem an der Zeit die 1920er Jahre?

RD: An den Tänzen mag ich das dass kein Tanz ist, den man nur stur zum Spiegel tanzt. Jetzt gerade bei den Paartänzen. Das man ihn miteinander tanzt und das eine eigene Sprache ist. Man lernt viele, viele Menschen kennen. Man kann in jede Stadt reisen in jedes Land und hat gleich Anhaltspunkte. Wird gleich andere Menschen und andere Kulturen kennenlernen und das ist sehr, sehr interessant.

An den 1920er Jahren oder an dieser alten Zeit gefällt mit die Mode ganz gut und ich mag mittlerweile auch die Musik sehr gerne. Als Kind mochte ich Swing überhaupt nicht, das wir mir zu durcheinander. Ich habe das erst während der Tanzausbildung, während des Charleston Lernens gelernt es zu genießen. Ich fand den Tanz so schön, so dass ich mich auch an die Musik gewöhnt habe.

MM: Ach so, so herum. Das ist lustig, erst der Tanz, dann die Musik.

RD: (lacht) Ja, genau. Ansonsten bin ich keine die die ganze Zeit in der Vintage Mode rumläuft. Ich nehme das als Anreiz mich auch mal nett zu kleiden, aber ich kombiniere sehr gerne. Ich bin da nicht ganz stur auf die Vergangenheit gerichtet, weil ich finde, dass die Tänze nicht in die Vergangenheit gerichtet werden sollten. Wie zum Beispiel beim Tanzprojekt, bei dem wir den Tanz nicht mehr als den aus den 20er oder 30er Jahre betrachten, sondern ihn mit der modernen choreografischen Arbeit verbinden, was man noch nicht gemacht hat beim Lindy Hop.

Ich finde aber man sollte das in die Zukunft tragen und sehen wie die Tanzgeschichte weitergeht. Wie sich der Modern Dance jetzt in den letzten 100 Jahren entwickelt hat, so muss sich der Lindy Hop und der Authentic Jazz weiterentwickeln, sonst vergisst man sie. So wie es jetzt auch Elektro Swing gibt. Diese Tanzrichtung wird von einigen missbilligend betrachtet, die sagen es muss so sein wie vor 100 Jahren. Das finde ich, ist aber die falsche Einstellung, weil alles ist im Wandel. Das ist wichtig, denn sonst überleben diese Sachen nicht.

MM: Meine Frage wäre jetzt von der anderen Seite aus betrachtet, was du von den Tänzen und der Zeit in der sie entstanden, in die Zukunft mitnehmen kannst?

RD: Was ich ganz interessant finde ist, wie sich die Leute damals durch den Tanz selber geholfen haben. Wie sie selber durch Krisen gegangen sind. Egal welche Personen man jetzt im Kopf hat, ob es die Afroamerikanische Bevölkerung ist, ob es dann im Endeffekt auch die Jugend in Deutschland ist, während des zweiten Weltkrieges, sie haben sich durch den Tanz und die Swing Kultur versucht zu behaupten, glücklich zu werden und frei zu werden. All diese Dinge. Aber sie haben diesen Tanz nur indirekt genutzt. Das ist kein Revolutionstanz, aber sie wurden zu Revolutionären, weil sie diesen Tanz getanzt haben. Was ich jetzt so aufbauend finde, ist dass wir jetzt die 2020er Jahre haben, wobei man jetzt nicht davon ausgehen kann, dass der Charleston 1920 erfunden wurde. Aber was man jetzt so sieht, es ist 100 Jahre her, der Tanz ist 100 Jahre alt und wir haben schon wieder eine riesen Krise. Das ist motivierend, tatsächlich zu sehen, der Tanz hat schon einmal eine Krise überstanden und die Menschen die diesen Tanz getanzt haben auch diese Krisen überstanden: die Kriege, die Wirtschaftssituation, die rassistischen Hintergründe. Das ist sehr spannend, dass uns dieser Tanz jetzt auch durch diese Krise führt. Man merkt diess an unseren Tanzgästen die hier sind, die über die ganzen Monate geblieben sind, dass es einen hält. Wie ein Knoten. Die Schule, die Leute die man hier treffen kann, die Tänze, die Bewegungen, die Musik hält die Leute wie ein Knoten. Das ist sehr, sehr schön.

Meine Erfahrungen als Rollstuhlfahrer!

30. Juli 2020   Sabine Engelhart
Unkategorisiert  

Ein Gastbeitrag von Perry Perry Walczok

Bedingt durch die Verschlimmerung der Spastik, welche bei mir durch die Infantile Cerebralparese hervorgerufen wird, bin ich seit dem Jahr 2015 voll und ganz auf den Rollstuhl angewiesen. Ich lese in den Facebook-Foren oder bekomme es durch Fernsehberichte mit, wenn Rollstuhlfahrer(innen) welche in Begleitung unterwegs sind oft von der gegenüber stehender oder sitzender Person übergangen werden und man ihnen scheinbar nicht mal eine kontrolliert geführte Kommunikation zutraut. Dann wird die Begleitung schon mal mit dem gesetzlichen Betreuer gleichgezogen, von denen viele auch ein völlig falsches Bild zu haben scheinen.

Wie auch immer! Ich zumindest hatte bisher die Erfahrung nicht machen müssen. Selbst dann nicht, wenn ich mal in Begleitung einer Assistenz unterwegs bin. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich ein zumindest von außen gesehen selbstbewusstes Auftreten und für manche auch ein manchmal loses Mundwerk habe. Wahrscheinlich setze ich mein Gegenüber derart ins Staunen, dass er oder sie gar nicht mehr anders kann. Aber mein Eindruck ist wohl eher subjektiv zu betrachten und sollte daher nicht zu hoch bewertet werden.

Im Allgemeinen habe ich aber die Erfahrung gemacht, dass ich in den Läden die Hilfsbereitschaft sowohl von anderen Kunden als auch vom Personal bekomme. Es ist eben eine Frage der Erscheinung und wie man der Person gegenüber auftritt. Das ist nicht nur in dem Stadtteil Sieker so in welchem ich inzwischen seit mehr als einem halben Jahr lebe. Die Erfahrung habe ich auch in anderen Städten gemacht.

Dass Städte wie Düsseldorf, Köln und eben teilweise auch Berlin sich mit dem Thema Barrierefreiheit schwertun, ist auch aus der Behäbigkeit und manchmal dem fehlenden nötigen Biss der Behindertenvertretungen zurückzuführen. In Berlin tut sich Dank der Sozialhelden inzwischen einiges. Aber bei den anderen Städten scheint es zumindest aus meiner Sicht heraus eine gewisse Lethargie und Schwermut zu herrschen. Aber wie gesagt, es ist eben nur mein persönlicher Eindruck und keine Behauptung, welche ich in den Raum stellen möchte. So das war es erst mal von mir!

Euer Perry Walczok / Bielefeld

Familien für Familien – gemeinsam durch die Krise

27. Juli 2020   Sabine Engelhart
Corona  

Von Kirsten Mountakis-Michalski/ Kreta in Griechenland

„Und? Wie schlagt ihr euch so durch die Corona-Zeit?” ist vermutlich eine der am häufigsten gestellten Fragen in 2020. Meine erste Antwort ist normalerweise: “Ich bin Mutter in Elternzeit, für mich ist alles wie bisher. Nur, dass alle Menschen um mich herum jetzt auch zu Hause arbeiten, nicht ausgehen oder verreisen können.” Das ist natürlich ein Scherz, aber wie so oft, steckt darin auch viel Wahrheit.
Die lange Version meiner Antwort ist: Wir hatten Glück. Mein Mann arbeitet in gleicher Stundenanzahl wie vor Corona, nur eben von zu Hause. Ich bin in Elternzeit, angestellt bei einem Unternehmen, das es zum jetzigen Stand gut durch die Krise schafft und ich bekomme Elterngeld. Unsere größte Sorge ist die Gesundheit unserer Liebsten in Hamburg und auf Kreta, wo ein Teil unserer Familie lebt. Auch bei denen ging das Leben mehr oder weniger unverändert weiter.
Seit Anfang Juli erlaubt Griechenland wieder Touristen im Land. Während mein Mann als griechischer Staatsbürger natürlich jederzeit hätte einreisen dürfen, haben wir sehnsüchtig auf diesen Moment gewartet, um die geplante gemeinsame Elternzeit im Sommer in unserem zweiten Zuhause zu verbringen. Und tatsächlich: Seit Mitte Juli sind wir nun zu Dritt in Chania auf Kreta bei Großmutter, Tanten, Onkels, Cousins und Cousinen – und natürlich mit viel Sonne und Meer. Wie gesagt, wir hatten Glück.
Dass Corona viele Menschen – weltweit – hart getroffen hat, steht außer Frage. In unserem direkten Umfeld in Hamburg ging es glücklicherweise den meisten wie uns. Die Zahlen zu Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit kennen wir vor allem aus den Nachrichten. Hier auf Kreta sieht das schon anders aus. Die Restaurants von Freunden sind leer, füllen sich nur langsam und hauptsächlich mit Einheimischen. Viele Hotels werden diesen Sommer gar nicht öffnen. Was das für das ohnehin schon krisengeschüttelte Land und seine Einwohner bedeutet, kann ich mir kaum ausmalen, bekam aber einen traurigen Vorab-Einblick, von dem ich hier erzählen will:
Nach unserer Ankunft hat es ein paar Tage gebraucht, unser Leben hier zu organisieren. Beim Aufräumen des Zimmers für unseren Sohn habe ich vieles aussortiert, das von unserer letzten Reise geblieben war und wofür er heute zu groß ist: Windeln, Kleidung, Spielzeug. Wie in Hamburg auch, habe ich die meisten Dinge im Facebook Marktplatz zum kostenlosen Abholen eingestellt. Die Anzahl der Rückmeldungen hat mich schier überwältigt. Junge Schwangere wollten zu Fuß vorbeikommen (bei 32 Grad), Familienväter waren bereit eine 30-minütige Anfahrt in Kauf zu nehmen – für zwei geöffnete Packungen Windeln. Ich bin irgendwann nicht mehr hinterhergekommen, die vielen Nachrichten zu lesen, geschweige denn allen etwas anzubieten.
Mein Mann, der teilweise für mich übersetzen musste, ergriff irgendwann die Initiative: “Das ist doch Quatsch, dass du versuchst hier alles aufzuteilen. Ich gehe Montag los, kaufe ein paar Packungen Windeln und wir geben die weiter.” Dieser Satz war es, der mich auf die Idee brachte einen kleinen privaten Spendenaufruf zu starten. Was wäre, wenn die, die wie wir mehr Glück hatten, nur 5 Euro zu unserem Einkauf dazu geben würden? Könnten wir so vielleicht 50 oder sogar 100 Euro sammeln? Das würde schon so viel helfen. Und hey, fragen kostet doch nichts, oder?
Ich schrieb also einen kurzen Post, um unsere Situation zu erklären und verwies auf einen Link zu einem Sammeltopf. Meinen Beitrag teilte ich privat auf Instagram und Facebook, sowie in einer Gruppe Hamburger Mütter. Und ich sollte wieder überwältigt werden – diesmal aber positiv. In nur 3 Tagen haben sich über 30 Personen auf unseren Aufruf gemeldet und insgesamt über 455 Euro gespendet. Freunde von überall auf der Welt und völlig Fremde beteiligten sich an der Aktion und so konnten wir mit Hilfe unserer Helfer schließlich für 500 Euro den Windel- und Waschmittel-Bestand des Supermarktes aufkaufen und Rest des Betrags haben wir in Einkaufsgutscheine investiert. Was zusammenkam, haben wir zum einen an einige Familien direkt und den Großteil an eine Organisation von Freiwilligen übergeben, die wiederum dafür sorgen, dass alles dort ankommt, wo es benötigt wird.
„Wieso haben sich so viele Menschen beteiligt an etwas, das ja nicht grade vor deren Haustür passiert?” habe ich mich gewundert. Natürlich kenne ich die persönlichen Hintergründe aller Beteiligten für ihre Entscheidung nicht. Aber ich habe für mich selber die Frage so beantwortet: Corona hat viele Menschen, überall auf der Welt, an den Rand ihrer Existenz gebracht. Ich selber habe mich oft gefragt, was ich tun kann, um die Situation anderer zu erleichtern und konnte oft den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen, da es gefühlt einfach an allen Ecken und Enden gleichzeitig brennt. Jede Gelegenheit, die sich ergab eine bereits bestehende Aktion von Freunden und Bekannten zu unterstützen, habe ich genutzt. Einfach, weil es einfach war. Genauso einfach wie das kostenlose Weggeben von Dingen, die man sonst vielleicht für kleines Geld verkauft hätte. Oder der To-Go-Besuch im Café oder Restaurant um die Ecke.
Zweifellos hat es vielerorts Menschen noch viel härter getroffen auf Kreta. Wiederum gibt es Länder, in denen das soziale Netz nicht so ausgeprägt ist wie das in Deutschland. Was aber meiner Meinung nach die Schicksale eint, ist die Tatsache, dass Familien und Kinder ganz besonders mit den Folgen zu kämpfen haben. Als junge Mutter habe ich gelernt, dass es kaum ein Gefühl gibt, das buchstäblich grenzenloser ist, als der Wunsch das Beste für das eigene Kind geben zu wollen und die Verzweiflung, wenn dieses nicht möglich ist. Und ich hoffe, dass dieses Verständnis füreinander noch viel, viel mehr Menschen animiert nicht nur Gelegenheiten zu nutzen, sondern auch selber zu schaffen, damit wir alle gemeinsam durch diese Krise kommen.

Der malerische Ort Chania auf Kreta (Griechenland) in dem die Aktion für die dort ansässigen Familien startete. Foto: Kirsten Michalsky
Windeln und Waschmittel. Foto: Kisten Michalsky

Parallele Welten des Augenblicks – Poesie im Alltag

8. Juli 2020   Sabine Engelhart
Aus dem Stadtteil, Kunst, Literatur, Netz  

Es ist soweit, der Kulturpunkt macht in Prosa. Wir starten unsere Schreibwerkstatt im Stadtteil. Das Kulturpunkt Team hat gedruckt, geschrieben und nahezu 1000 Briefumschläge gepackt, die wir nun nach und nach in Barmbek verteilen.

Dichtet mit, erzählt uns wie es euch geht, jetzt wo nach Corona das normale Leben langsam wieder Fahrt aufnimmt.

Beschreibt euren Stadtteil, ein tolles Erlebnis mit den Nachbarn, Bekannten, Freunden, etwas was euch mit Barmbek verbindet. Jede/ Jeder kann mitmachen, egal welchen Alters.

Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Schreibt ein kurzes oder ein langes Gedicht, einen Haiku oder einen Limerick oder einfach einen kurzen Text. Es darf, aber muss sich nicht reimen.

Das kann etwas Lustiges, Ernstes, Besinnliches oder Komisches sein. Ganz wie ihr möchtet, wie ihr euch fühlt. Wer selber nicht dichten mag, sucht ein Gedicht einer geschätzten Dichterin/ Dichters aus und sendet das mit Nennung der Herkunft/ Namens ein. Lasst uns wissen, warum ihr diese Verse auswählt.

Das Plakat macht auf diese interaktive Aktion aufmerksam. Achtet drauf, wenn ihr durch Barmbek geht und sie in den Fenstern der Wohnhäuser oder im Stadtteil seht. Das sind tatsächlich alles Menschen, die einen Augenblick lang mitgemacht haben und die zeigen, dass ihnen die Aktion gefällt – ähnlich wie in den sozialen Medien, nur eben handgemacht. Parallel dazu könnt ihr diesen Aufruf selbstverständlich auch bei Facebook und Instagram bei Middenmang Magazin finden und liken. Wir freuen uns auf viele analoge und digitale Follower in Barmbek.

Wir freuen uns auf eure zahlreichen Einsendungen spätestens bis Ende August 2020!

Unser Dank gilt der SAGA GWG Stiftung Nachbarschaft für die Förderung dieses interaktiven Projekts für Barmbek.